der Ahlhorner Luftschiffhafen und Fliegerhorst von 1915 - 1938


1915 - 1921

Als die Reichsmarine im Juli 1915 die Entscheidung traf, in Ahlhorn einen Luftschiffhafen der Reichsmarine zu bauen, hatte das Dorf gerade einmal 435 Einwohner. Südlich des Straßendorfes lag der Statsbrink, eine Heidefläche, die sich bis zur Landwehrbäke erstreckte und als Ahlhorner Heide bezeichnet wurde. Hier waren lediglich einige Heidschnucken geweidet worden, ansonsten wurde das sandige Heidegebiet nicht genutzt.

Ein idealer Platz für den Luftschiffhafen. Luftschiffe (Zeppeline) galten als bestens geeignet für die Fernaufklärung über der See, weshalb ein Standort in relativer Küstennähe ausgesucht worden war. Damals unterstand das ganze Areal noch nicht der Luftwaffe, sondern, wie es sich für eine "Schiffsflotte" gehört, der Marine.

Anfänglich wurden südlich des Bauernwaldes „Großer Sand“ ein 259 ha großes Gelände für den Flughafen und in unmittelbarer Dorfnähe eine 87 ha große Fläche für das sog. Gaswerk genutzt.

Über 2000 Facharbeiter, Kriegsgefangene und Marinesoldaten errichteten seit dem 27.7.1915 dort


 Die Skizze zeigt, wie die damaligen Luftschiffhallen (schwarz) im Verhältnis zum heutigen Flugfeld (blau) lagen. Außerdem kann man das weitläufige Schienennetz erkennen, das den Luftschiffhafen damals durchzog.

Der sog. Kasernenbereich unmittelbar an der Vechtaer Straße hat beide Weltkriege überstanden und steht heute noch. Es sind die Gebäude neben der Einfahrt parallel zur Straße und die Gebäude rund um den ehemaligen Exerzierplatz (heute Kapitän-Strasser-Platz).

Ein weiteres Gebäude ist das ehemalige Marinelazarett von 1917.

Um die Rohstoffe für die Gaserzeugung heranzuschaffen, wurde ein Anschluss an den Ahlhorner Bahnhof geschaffen, der daraufhin eine Blütezeit erlebte. Der ganze Luftschiffhafen war von Geleisen durchzogen (siehe Skizze).

In den ersten Monaten wurde der Wasserstoff, mit dem die Luftschiffe gefüllt wurden, per Bahn herangeschafft. Denn das Gaswerk wurde erst im Herbst 1916 fertig und hatte eine anfängliche Kapazität von 30.000 m³ pro Tag, die später auf 60.000 m³ erhöht wurde. Vom Gaswerk wurde der Wasserstoff durch große, unterirdische Leitungen zu den Luftschiffhallen geleitet. Von diesem Gaswerk steht heute nur noch die Kompressorenhalle (Foto von 2009, links), in der der erzeugte Wasserstoff mit 3 Kompressoren auf 100 bar verdichtet und in 180 unterirdische Hochdrucktanks gepumpt wurde.

Die Luftschiffhallen waren im Winkel von 60 ° zueinander eingeordnet, mit dem Landeplatz in der Mitte dazwischen. Die Hallen waren für damalige Verhältnisse gigantisch, der gesamte Oldeburger Bahnhof hätte spielend in eine Halle hineingepasst. 1916 wurde die erste Hallengruppe fertig (Hallen "Aladin" und "Albrecht").
Zu den Hallengruppen gehörten jeweils zwei Hallenkasernen, Werkstätten und Magazine, jede Hallengruppe hatte direkten Eisenbahn-Gleisanschluss.

 
links: Wie einem alten Bild zu entnehmen ist, hielt die Marine zu der Zeit sogar eine eigene Schafherde. rechts: Appell 1916
unten das gleiche Gebäude 2008 (die Schornsteine fehlen dank Zentralheizung)
 

Die ersten drei Luftschiffe (Zeppeline L 21, L 30 und L 31) trafen noch vor Fertigstellung der Hallen im Sommer 1916 in Ahlhorn ein. Sechs weitere folgten im Herbst und Winter. Sie wurden sofort für den Kriegseinsatz in der Nordsee und in England eingesetzt, wobei einige Luftschiffe durch feindliches Feuer abgeschossen wurden (z.B. L 31 über London), außerhalb des Flughafens Bruchlandungen machten (z.B. bei Großenkneten und im Kurland) oder zu anderen Einsatzorten verlegt wurden. Ende 1916 waren nur noch zwei Luftschiffe in Ahlhorn stationiert. 1917 kamen als Ersatz neun Zeppeline und das erste Schütte-Lanz-Schiff (SL 20) nach Ahlhorn.

links: Luftschiff neben der Funkstation 1916


das gleiche Gebäude 2008, wenn auch von der anderen Seite

Die Luftschiffe waren normalerweise 14 bis 19 und in Ausnahmefällen bis zu 36 Stunden in der Luft und erreichten Höhen von 6000 m, wobei die große Kälte und z.T. die sauerstoffarme Luft den Mannschaften stark zusetzte. Die Zeppeline konnten zwar feindlichem Abwehrfeuer und Jagdfliegern ausweichen, in dem sie große Höhen ausfsuchten, aber wegen der großen Masse des Auftriebskörpers konnten die Schiffe nur mühsam gegen Stürme ankommen und wurden oft weit abgetrieben.

Am 5.1.1918 begann das Ende des Luftschiffhafens Ahlhorn. Gegen Einbruch der Dunkelheit vernichtete eine gewaltige Explosion 4 Hallen mit 5 Luftschiffen. 15 Tote, 30 Schwer- und 104 Leichtverletzte waren zu beklagen. Da das Unglück nach Dienstschluss passierte, war die Zahl der Opfer glücklicherweise nicht höher.
Bei Arbeiten am L 51 in Halle 1 musste Feuer entwickelt worden sein, das die in der Halle befindlichen L 51 und L 47 in Brand setzte, wobei über 100.000 m³ Wasserstoffgas lichterloh verbrannten, ohne zu explodieren.
Der Brand griff auf Halle 2 über, in der L 58 explodierte, wodurch wiederum brennende Teile bis zu den Hallen 3 und 4 mit SL 20 und L 46 geschleudert wurden, die ebenfalls in Brand gerieten und explodierten. Noch in Oldenburg und Bremen konnte man den Knall der Explosion hören.
An den noch im Bau befindlichen großen Hallen 5 und 6 entstanden nur geringe Schäden an Dach und Fenstern.

Man begann sofort, Halle 1 wieder aufzubauen und die Hallen 5 und 6 zu vollenden, was im März und Juli 1918 gelang. Aber bis zum Frühjahr 1918 waren keine Luftschiffe in Ahlhorn stationiert. Erst von April bis Juli wurden drei Zeppeline nach Ahlhorn verlegt, im Oktober folgte als letztes Schiff das L 71.

Im November 1918 erreichte die Marinerevolution Ahlhorn, der Soldatenrat erteilte allen Offizieren Platzverbot.

Bei Kriegsende befanden sich nur noch L 64 und L 71 in Ahlhorn, die entsprechend der Vereinbarungen des Friedensvertrages von Versaille mit allen Flughafenanlagen am 30.6.1920 an England übergeben wurden.

1921 wurden zahlreiche Gebäude und die Auslaufbahnen von der französischen Kontrollkommission gesprengt bzw. die beiden verbliebenen Hallenreste demontiert und verkauft. Eine dieser Hallen soll noch heute in der Papierfabrik in Varel stehen.

Heute erinnern nur noch einige Gedenktafeln und Straßennamen wie Zeppelinstraße, Dr-Eckener-Straße, Kapitän-Strasser-Straße, Am Kasinowald und Am Gaswerk sowie der Zeppelin im Ahlhorner Wappen an diese große Ahlhorner Zeit.


Gedenkstein an die große Zeppelin-Zeit in Ahlhorn unter Marinebaurat Beck (nahe dem Nordwesttor des Fliegerhorstes
und Gedenktafel für Kapitän Strasser in der gleichnamigen Straße in Ahlhorn.

Einige Daten zu Luftschiffen:

L 30

198 m lang, 23,94 m Durchmesser, Volumen 55.200 m³, sechs Motoren mit 240 PS

L 40

erstes Schiff mit schwarzem Tarnanstrich

L 71

211,5 m lang, 23,93 m Durchmesser, sieben Motoren mit 260 PS, Aktionsradius 12.000 km, Nutzlast 44,5 Tonnen.

SL 12

Schütte-Lanz-Schiff mit Sperrholzspanten, 174 m lang, 90 km/h schnell

SL 20

198 m lang, fünf Motoren mit je 240 PS, 102 km/h schnell

 

1921 - 1938

Der ehemalige Luftschiffhafen wurde nach Ende des 1. Weltkrieges zuerst nicht mehr militärisch genutzt, sondern aufgeteilt und das Gelände an die Gemeinden Duisburg-Hamborn und Großenkneten sowie die Landesversicherungsanstalt Oldenburg und an Privatleuten verkauft.

140 ha gingen an die Stadt Hamborn, die sie dem Caritasverband übergab. An der Vechtaer Straße entstand ein Caritasheim (Ludgerushaus), das beträchtliche Dimensionen aufwies und Platz für bis zu 400 Kinder bot. Die alte Unterkunftsanlage wurde dafür komplett und mit nur geringen Umbauten übernommen. Genutzt wurden vor allem die Gebäude rechts und links hinter der ehemaligen Hauptwache. Zum Heim gehörten eine Krankenstation, Bäckerei, Tischlerei, Schmiede (links), eigene Treibhäuser, eine kleine katholische Schule und ein Gutshof mit einer Fläche von etwa 100 ha angelegt, der u.a. der Versorgung des Heimes diente. Heim und Gutshof blieben durch einen Gleisanschluss direkt mit dem Ahlhorner Bahnhof verbunden.
Das Caritasdorf wurde 1938 wieder aufgelöst, als das Gelände an die Reichsvermögensstelle zurückgegeben werden musste, weil ein neuer Flughafen eingerichtet werden sollte.

Weitere 168 ha, die im Süd- und Ostteil des ehemaligen Luftschiffhafens lagen, kaufte die „Siedlungsgesellschaft Ahlhorn“, die dort Nebenerwerbssiedlungen baute, in die zuerst vor allem Angehörige der Marine und der kaiserlichen Werft einzogen. So wurden 1919 die heutige Süd- und 1921 die Ostsiedlung Ahlhorns gegründet.

In die Gebäude des ehemaligen Gaswerkes zogen zwei Industrieunternehmen ein, eine Chemiefabrik, in der Schädlingsbekämpfungsmittel hergestellt wurden, und eine Nebenstelle der Oldenburgischen Zellfiberwerke. Letztere stellte ihren Betrieb aber bereits nach zwei Jahren wieder ein, und 1935 wurden die ungenutzten Gebäude abgerissen.

Das Offizierskasino mit dem Kasinowald wurde von der Landesversicherungsanstalt gekauft und ab 1921 als Lungenheilstätte verwendet. Von 1924 bis 1938 wurde es an die Innere Mission verpachtet, die dort ein Altersheim für Männer einrichtete. Von 1938 bis 1940 war es wieder Lungenheilstätte, danach wurde es wieder von der Wehrmacht genutzt.

1945 bis 1958 wurde das Gebäude von den Engländern als Gästehaus für Familienangehörige der Air Force verwendet, die in Ahlhorn zu Besuch waren.
Von 1958 bis 1989 war die Standortverwaltuzng der Bundeswehr dort untergebracht, seitdem steht der schöne Bau leer.

Das sog. Marineheim an der Vechtaer Straße ging 1922 an die Innere Mission, die dort ein Waisen- und Erziehungsheim („Heideheim“) betrieb. Heute befindet sich in dem Gebäude ein Nachtclub.

 _______________________________

Die zahlreichen Details in diesem Beitrag wurden von H. Edzards in seiner Broschüre „Luftschiffhafen Ahlhorn – ein Beitrag zum Jubiläumsjahr 1965“ zusammengetragen.
Die gezeigten Schwarzweißaufnahmen stammen von Bildern, die bis zur Aufgabe des Fliegerhorstes das ehemalige Offizierskasino schmückten, und die dem Bürgerverein Ahlhorn überlassen wurden.


letzte Änderung am  27.4.09